Ulrike Hogrebe | Profil

Foto Romy Rohling 2022

Über die eigene Arbeit

Seit 1993 lebe ich auf dem Gehöft eines kleinen havelländischen Dorfes im Westhavelland. Ein Wechsel von der Großstadt in die Aura einer Landschaft, in Vereinzelung, Einsamkeit und Absonderung. Meine Arbeit lebt davon - von der Nähe zur Natur, zu Tieren, Pflanzen, Bäumen und Gegenständen.

Das Erlebnis sich in einem überdimensionalen, fast grenzenlosen offenen Raum zu bewegen, gibt mir die Identität stiftende Intimität der Selbstfindung. In tagebuchähnlichen Randnotizen halte ich inne, suche ein Einverständnis mit der Außen- und Innenwelt. Die fast panoramaähnlichen Formate geben in immer wieder unterschiedlichen Reihungen ein anderes Bild ab, pendeln zwischen Reduktion und Realismus, wobei ich immer im fantasievoll Erlebtem ankere.

Von Bild zu Bild verdichte ich Natur, Kultur und Zivilisation zu einer Serie von Stillleben, die bei näherem Hinsehen befremdlich poetisch wie aufregend erscheinen. Ein Prozess des Erfindens von Wirklichkeiten, ein Prozess, der begreifen lässt, dass unsere eigene Wirklichkeit nur eine von vielen Möglichkeiten des „Realen“ ist, mit der surrealen Kombinatorik des Unwahrscheinlichen, als Anregung Motive und Geschehen in unserer Phantasie auszumalen und eigene Alltags-, Abenteuer- oder Sinngeschichten zu erfinden.


Text von Walter Aue

Die Bilder von Ulrike Hogrebe sind keine geschwätzigen Schilderungen, eher das Gegenteil davon: kleine Nachrichten, winzige Mitteilungen, graffitiähnlich eingefügt in große, nebeneinander oder gegeneinander gestaffelte Farbfelder. Da gibt es kopflose menschliche Figuren, oder auf dem Kopf stehende, in der Luft schwebende Seiltänzer, Babypuppen, Lebensartisten. Vereinzelte Häuser, Tische, Stühle, Leitern, Gefäße. Gliedmaßenähnliche Pflanzen, Hirsche und Pferde, losgerissene Köpfe, Hände, Beine und Füße, männliche Gestalten, denen Geweihe aus dem Kopf wachsen. Das alles könnte große dramatische Erzählungen vermuten lassen, aber Ulrike Hogrebe liebt das kleine und allerkleinste Format ihrer skurrilen, hintergründigen Figurationen, gewissermaßen die Miniatur der angedeuteten Ereignisse.

Hier wird die gegenständliche Welt noch einmal in ihren vorsprachlichen Einzelteilen gezeigt, als Zitat, als perspektivloser Umriss dargestellt. Hier geht es nicht um die Bebilderung der Welt, sondern um ihre Be-Zeichnung in Form eines figürlichen Ding-Alphabets, das wir kaum noch entziffern oder lesen können. Die Motive von Ulrike Hogrebe sind Impulsgeber, Bruchstücke eines ehemaligen Ganzen, sie vermitteln die "faszinierende Aura einer archäologischen Spurensuche nach dem Menschen" (Süddeutsche Zeitung). Trotzdem besitzen ihre Bilder durch waagerechte Linien, durch symmetrische Formen eine Art Ausgleich, vermitteln eine "innere Ruhe", einen gewissen "Halt" und fordern in ihrem eigenständigen, erzählenden Charakter den Betrachter auf, "sich daraus seine eigene Bildergeschichte zu machen".